KÖNNTEST DU DICH, POLYVENT UND EUER PROJEKT KURZ VORSTELLEN
Victor Suturin: Hallo, ich heiße Victor! Ich bin ein biomedizinischer Wissenschaftler und habe auch ein medizinisches Start-Up in Deutschland. Unser Projekt PolyVent ist jedoch eine freiwillige Initiative zur Schaffung eines barrierefreien Designs für Beatmungsgeräte auf Intensivstationen.
WAS GENAU IST EIN ICU VENTILATOR?
Victor Suturin: Ein Beatmungsgerät. Beatmungsgeräte sind Maschinen mit einer Macht über Leben und Tod, denn diese Maschinen übernehmen die Atmung für Patienten, die nicht mehr in der Lage sind, dies selbst zu tun. Als die Pandemie ausbrach, waren Beatmungsgeräte natürlich sehr schnell ausverkauft. Sie sind in der Produktion sehr schwer zu skalieren und verursachten einen Engpass in der Lieferkette, was zu einem Mangel in den Krankenhäusern auf der ganzen Welt führte, darunter reiche Länder wie Italien und allem die USA.
WAS IST DIE VISION VON POLYVENT?
Victor Suturin: Ein Mangel an Beatmungsgeräten ist eine furchtbare Situation. Stellt euch vor, ihr habt zehn Patienten und müssen entscheiden, welcher von ihnen leben darf oder sterben muss, weil ihr nur für einige von ihnen genug Maschinen habt. Diese Art der Entscheidung hat zum Beispiel in Italien tatsächlich stattgefunden. Es ist ein völlig normales Ereignis an Orten, an denen Beatmungsgeräte ein Luxus sind. Daher versuchen wir, dieses Problem zu lösen, indem wir Beatmungsgeräte so zugänglich wie möglich machen.
Die Idee hinter PolyVent ist es, Designs zu entwickeln, die in wohlhabenden Ländern während einer Pandemie verwendet werden können, aber auch in Ländern, in denen es ohnehin keine anderen Optionen gibt. Die Geräte könnten dort der normale Standard für Intensiv-Beatmungsgeräte sein.
WIE HAT SICH EUER INTERNATIONALES TEAM GEFUNDEN?
Austin Campbell: Ich und Victor haben von Anfang an am Projekt zusammengearbeitet, seit Beginn des Lockdowns in Kanada Anfang März. Nach ein paar Tagen trat ich einer Facebook-Gruppe bei, und dann erwähnte diese Facebook-Gruppe einen weiteren Wettbewerb, welcher eine Plattform bereitstellte, auf der wir Teams mit anderen Menschen bilden konnten. Dort haben sich Victor, Nathaniel, ich und die ganze Basegroup eigentlich zum ersten Mal kennengelernt. Vor ein paar Wochen hat Victor mich dann angerufen und gesagt, dass wir es geschafft haben, etwas Geld und Ressourcen zu bekommen, um zu einem anderen Prototyp über zu gehen. Das hat uns dann nach Linz gebracht.
Antal Zuiderwijk: Ich bin aus den Niederlanden hierhergekommen. Tatsächlich habe ich die meisten Teile, die ihr hier sehen könnt, aus den Niederlanden in meinem Auto mitgenommen, also war es eine ziemliche aufregende Fahrt! Ich fing ungefähr Mitte März an, an dem Beatmungsgerät zu arbeiten, als die Nachrichten zu dieser Zeit wirklich ernst waren.
Victor Suturin: Nur fürs Protokoll: Wir sind alle Freiwillige. Wir haben alle unsere eigenen Geschäfte und unsere eigenen Sachen.
WIE FUNKTIONIERT EIN BEATMUNGSGERÄT?
Antal Zuiderwijk: Wie Victor gerade sagte, werden Beatmungsgeräte verwendet, um Patienten zu beatmen, die dies nicht alleine können. Dieses Gerät nimmt also Luft und reinen Sauerstoff auf, mischt diese und liefert sie an die Lunge des Patienten. Hier haben wir nebeneinander zwei Türme, die beiden Pumpenmodule, und durch Drehen der Motoren oben wird der Blasebalg auf und ab bewegt. Wenn der Balg nach unten gedrückt wird, wird die Luft an den Patienten abgegeben, und wenn sie nach oben gezogen werden, saugen Sie für den nächsten Atemzug Luft und Sauerstoff an.
Eines der Dinge, auf die wir uns während des Entwurfs wirklich konzentriert haben, ist die Sicherstellung der Anpassungsfähigkeit. Wenn man beispielsweise in seinem Land oder in seiner Region verschiedene Motoren zur Verfügung hat, kann man die Halterungen anpassen und den Motor montieren, den man zur Verfügung hat. Das gleiche gilt für den Balg. Wenn man den Balg nur mit einem anderen Durchmesser oder in einer anderen Höhe hat, kann man diesen anpassen und kompatibel machen. Und zuletzt: In dieser speziellen Version verwenden wir Magnetventile, um das Gas zur richtigen Zeit an die richtigen Stellen zu leiten. Was man aber auch verwenden kann, ist ein Quetschventil wie dieses, das in einigen Fällen einfacher herzustellen ist. Damit werde ich an Austin weiterleiten, der euch von den Materialien erzählt, die in diese Maschine eingearbeitet wurden.
WELCHE TECHNOLOGIEN HABT IHR FÜR DEN PROTOTYPEN VERWENDET?
Austin Campbell: Bei vielen Teilen herkömmlicher Beatmungsgeräte besteht das große Problem darin, dass es nicht wirklich so viele Möglichkeiten gibt, die Teile herzustellen, besonders für einige der teureren Maschinen. Viele Bauteile bestehen wiederum aus hundert verschiedenen Teilen, die extrem hohe Intoleranzen aufweisen und man verrückte Maschinen benötigt, um sie herzustellen, was die Kapazität, mit der man Beatmungsgeräte selbst herstellen könnte, wirklich verlangsamt. Wir haben jedoch versucht, die Einzelteile so allgemein und so einfach wie möglich zu halten. Wir haben hier Plastikteile, die unter bestimmten Umständen nützlich sind, zum Beispiel in Ländern, in denen es sich um ein Kurzzeitbeatmungsgerät handelt und wo diese speziell für die Pandemie gekauft werden. Diese werden im Wesentlichen wegwerfbar sein, da sie jeweils nur einige Monate verwendet werden müssen. Und dann haben wir robustere Teile für Länder, die nach mehr langfristigen Optionen suchen, welche man mittels einer CNC Fräse aus Metall herstellen kann. Beide Arten sind ziemlich übliche Herstellungsmethoden, aber bieten große Unterschiede in Bezug auf die tatsächlichen Fähigkeiten des Beatmungsgerätes. Das ist wahrscheinlich eines der größeren Merkmale unseres Designs und des gesamten Teams. Nicht jedes Teil muss mit einer Toleranz von einem Zehntel Millimeter hergestellt werden, damit wir die Produktion beschleunigen und die Zugänglichkeit besser verfügbar machen können.
Antal Zuiderwijk: Wir haben viel 3D-Druck für die Strukturen in diesem Bereich des Gerätes genutzt. Wir benötigten aber auch einige einfache Metallarbeiten, von denen Austin den Großteil im 1. Stock gemacht hat. Zum Beispiel das Schneiden der Rohre oder der Platten. Für die Ausschnitte an der Vorderseite wurde der Lasercutter verwendet. Und wir haben auch die SLA 3D-Drucker genutzt, um diesen Blasebalg zu drucken, was ziemlich außergewöhnlich ist. Datron hat uns freundlicherweise dabei geholfen, dieses Teil sowie einige andere Teile, die in den oberen Bereich des Pumpenmoduls passen, per CNC zu fräsen. Dafür sind wir sehr dankbar!
WIE HAT EUCH DIE GRAND GARAGE DABEI UNTERSTÜTZT?
Austin Campbell: Die GRAND GARAGE und die hier vorhandenen Maschinen waren für uns eine super Unterstützung, vor allem der 3D-Druck Bereich. Die Drucker hier sind von sehr hoher Qualität und man kann mit ihnen wirklich gut-aussehende Bauteile herstellen. Alle 3D-gedruckten Teile sehen äußerst professionell aus und haben ein wirklich schönes Finish. Diese Teile sind gedruckt, alle Eckhalterungen sind gedruckt und alle äußeren Oberflächen mit den Griffen sind ebenfalls gedruckt. Die 3D-Drucker hier sind in der Lage, wirklich tolle Produkte herzustellen und das war für uns sehr nützlich.
Die Werkzeuge und alle Materialien, die GRAND GARAGE zugänglich macht, sind äußerst nützlich und ermöglichen Projekte wie dieses überhaupt. Aber die größten Faktoren für ein erfolgreiches Prototyping sind, die Leute und Ressourcen in dieser Werkstatt, welche uns erklären können, wie man bestimmte Teile optimiert oder wie man eine Maschine korrekt benutzt. Gerade beim CNC Fräsen brauchten wir in der GRAND GARAGE dringend einen Fachmann, um Aufgaben schnell und effektiv erledigen zu können und die Unterstützung haben wir bekommen. Ohne das Fachwissen, welches GRAND GARAGE bieten kann, wäre es in einer Garage oder einer Werkstatt Zuhause einfach nicht möglich, so etwas zu realisieren.
Antal Zuiderwijk: Ich kann dem nur zustimmen. Ich hatte sicherlich viel Online-Hilfe von der Community, aber gleichzeitig war ich rein physisch immer allein in meinem Haus. Das schränkt einen in vielerlei Hinsicht ein. Hier zusammen zu sein ist eine große Hilfe und im Endprodukt sehr deutlich sichtbar, da es wesentlich besser ist als der Prototyp, den wir zuvor gebaut haben.
Victor Suturin: Egal wie viele Ideen man hat… man benötigt immer noch einen Ort, um einen ersten Proof of Concept einer Idee zu bauen und zu sehen, ob sie überhaupt funktionieren kann. Und dieser Ort war für uns die GRAND GARAGE.